Für Mittelblockerin Lea Ambrosius neigt sich nicht nur die erste Volleyballsaison in der ersten Bundesliga ihrem Ende zu: Die Jüngste (18) im Team des SSC Palmberg Schwerin steht zudem kurz vorm Schulabschluss. Im Themeninterview spricht die gebürtige Bernburgerin über das Spannungsfeld zwischen beruhigender Sicherheit, aufregenden Risiken und was sie mit SSC-Kapitänin Jennifer Geerties gemeinsam hat.
Lea, hast Du Lust, heute ein bisschen zu philosophieren?
Ok. Mein Lieblingsfach in der Schule ist das aber nicht unbedingt. Ich finde es superschwierig, ewig darüber zu diskutieren, was ist der Mensch, was kann ich wissen…
Du musst Dich also nicht ständig fragen, wer bin ich und was soll das Ganze?
Nein. Existentielle Fragen treiben mich nicht um. Ich bin hier, das ist so. Allerdings mache ich meine mündliche Abiturprüfung in Philosophie, die Noten geben es her. Ich hoffe, da kommt ein Thema, das mir liegt und zu dem ich 20 Minuten reden kann. Da wird auch die Aufregung doll mitspielen. Schriftlich liegt mir mehr, da kann ich in Ruhe planen.
Wie bereitest Du Dich auf Klausuren vor? Lernst Du auf Lücke oder immer alles?
Ich lerne alle Themen. Wenn ich nur eine Auswahl lernen würde und nicht wüsste, ob eines dieser Themen drankommt, könnte ich die Nacht vor der Arbeit nicht schlafen. Diesen Kick brauche ich nicht, ich will lieber sicher sein und beruhigt in die Arbeit gehen können.
Ist das generell Dein Lebensgefühl – lieber auf Nummer sicher gehen?
Ja, schon. Im Alltag gibt es viele Sachen, bei denen ich nicht will, dass es schiefgeht. Für mich ist Risiko, also etwas Gutes anstreben und dafür auch Fehler in Kauf nehmen, immer eine Überwindung, weil ich schon eine gewisse Angst in mir habe, das Falsche zu machen. Das ist jetzt nicht so extrem, dass ich nie was probiere, aber mir gefällt es gut, ein bisschen besonnen und bedacht zu sein, ich bin schon ein Kopfmensch.
Auch im Volleyball? Oder bist Du da risikofreudiger?
Ja, auch im Spiel denke ich ständig nach, was jetzt zu machen ist, worauf ich vorbereitet sein muss, was passieren könnte. Man kommt hier aber gar nicht immer drum rum, auch mal ein Risiko einzugehen. Im Sport kann ich es auch besser als im Alltag, weil weniger schiefgehen kann. Man muss immer abwägen, welches Spiel es ist und was danach kommt, also ob man einen Gegner hat, wo man mal was ausprobieren könnte, um auf das danach besser vorbereitet zu sein, auf ein besseres Niveau zu kommen. Dann lohnt es sich definitiv, was Riskantes zu probieren. Aber es gibt auch Spiele, die sollte man sicher runterspielen, ohne viel zu zaubern.
Hast Du Vorbilder für beide Spielweisen?
Da denke ich spontan an Jenna (Außenangreiferin Jennifer Geerties, Anm. d. Red.). Sie hat dieses ruhige, sichere Spiel, hat im Kopf, was geht und findet die Lücke, ohne extreme Risiken. Eine McKenzie (Adams, Außenangreiferin, Anm. d. Red.) ist eher der Typ, der auf Risiko geht, auch mal versucht, aus einem schlechten Ball noch was zu machen, und wenn er dann ins Aus geht, ok. Meine eigene Tendenz geht eher Richtung Jenna. Wahrscheinlich wird man aber auch sicherer und bereiter, ein Risiko einzugehen, je mehr Erfahrung man hat. Ich bin ja schon voller Spannung, wenn ich draußen stehe und will mich, wenn ich ins Spiel komme, von meiner besten Seite zeigen.
Ist es befriedigender, einen Erfolg auf dem sicheren Weg erzielt zu haben oder wenn sich ein Risiko auszahlt?
Schwierig. Es ist auf jeden Fall ein ganz anderes Gefühl, wenn man sonst kontrolliert und ruhig an Sachen rangeht und dann etwas erreicht, wo Spannung und Adrenalin dahinterstehen. Da ist es schon umso schöner, wenn es klappt. Man braucht ja auch immer mal was Neues, nicht nur das Alltägliche, sonst wird es langweilig und einengend. Das Leben ist nicht nur für Sicherheit da, da kann man das auch nicht genießen. Man sollte schon auch mal aus sich herauskommen und gucken, was passiert.
Hast Du schon mal eine eindrucksvolle Erfahrung damit gemacht, dass sich Risiko sehr auszahlen kann?
Ja, die Entscheidung, nach Schwerin zu gehen. Da war ich 15 und hatte kaum Erfahrungen im Volleyball. Das war schon ein riesiger Schritt, weit weg von zuhause, von den Eltern, in eine neue Schule, ein neues Bundesland zu gehen. Den Sommer davor gab es einige Nächte, wo ich nicht schlafen konnte und überlegt habe, war das das richtige. Aber das hat sich gelohnt, eindeutig. Da hatte ich aber auch die Sicherheit, dass meine Familie hinter mir steht.
Für viele Deine Altersgenossen wäre es wahrscheinlich auch ein Risiko,in Sachen Beruf auf den Profisport zu setzen statt auf ein Studium oder eine Ausbildung…
Ich empfinde das nicht so, für mich ist es der logische Schritt, ich sehe da keine Gefahr. Ich will ja auch nebenbei ein Studium oder eine Ausbildung mache, insofern setze ich da nicht alles auf eine Karte. Falls ich mich verletzt oder es nicht mehr geht, dann kann ich den Fokus auf die andere Sache legen.
Braucht es also irgendwie doch auch ein Sicherheitsnetz, um ein Risiko einzugehen?
Würd ich schon sagen, dass das bei mir im Hinterkopf drin ist. Auch im Spiel und mit dem Team. Bei uns fühlt es sich gut an, man kann auf die Leute neben sich vertrauen und fühlt sich damit automatisch sicherer, auch wenn man mal riskanter spielen muss.
Könntest Du Dir auch eine andere Sportart für Dich vorstellen? Oder käme etwas gar nicht in Frage?
Es gibt ganz vieles, was ich nicht machen würde. Beim Handball zum Beispiel wäre mir der Körperkontakt zu viel. Skispringen wäre nicht meins. Beim Boxen würde ich sofort wieder umdrehen. Einzelsport kann ich mir generell nicht vorstellen, immer allein trainieren und kämpfen. Das wär kein Gefühl für mich. Volleyball ist mein perfekter Sport.
Text: Kathrin Wittwer
Bilder: Ecki Raff, Eckhard Mai